Impulse

IMPULSE

Die Mobilitätswende ist machbar. Es gibt zahlreiche Beispiele und Projekte, die bereits realisiert sind und wirken. Wir zeigen auf dieser Seite Ideen, die als Vorbild dienen, die Inspiration liefern und aufzeigen, wie die Mobilitätswende gelingen kann. Und wir lösen weit verbreitete ÖPNV-Irrtümer auf.

Reise nach Metz

Die französische Stadt Metz hat in den zurückliegenden Jahren ihren öffentlichen Nahverkehr revolutioniert.

Mit Doppelgelenkbussen auf eigenen Trassen und einer konsequenten Umgestaltung des Stadtraums zugunsten des ÖPNV wurde die Mobilität in Metz auf den Kopf gestellt. Unter dem Namen METTIS ging 2013 ein Bus Rapid Transit-System (BRT) an den Start: Zwei Linien durchqueren das Stadtgebiet mit insgesamt 39 Haltestellen und befördern mittlerweile über 23 Millionen Fahrgäste pro Jahr.

Wir haben uns auf den Weg nach Metz gemacht und die Mobilitätswende vor Ort selbst zu entdecken.

Die Widerstände und Bedenken waren zu Beginn groß: Einzelhändler fürchteten um ihre Umsätze während der Bauzeit, Anwohner um ihre Ruhe, Kämmerer um ihre Budgets. Doch seit 2013 hat sich METTIS zu einer Erfolgsgeschichte entwickelt:

  • Die Fahrgastzahlen sind seit Beginn konsequent gewachsen, zwischen 2018 und 2019 stieg der Verkehr auf den Linien nochmal um 5,3%.
  • 80% der Arbeitsplätze und fast die Hälfte der Schulen werden mit METTIS erreicht.
  • Der Autoverkehr ist um 10% zurückgegangen.
  • Aktuell wird der Ausbau einer dritten Linie diskutiert.

Wie konnte das gelingen?

Die Grundlage für den Erfolg war der Mut, den Umbau mit aller Konsequenz zu denken und umzusetzen. Die Verantwortlichen standen hinter der Vision für den ÖPNV. Der Bürgermeister und die Politik wollten das Projekt und waren der Motor für die Realisierung. Die Veränderungen im Stadtbild sind deutlich zu sehen: Straßen und Plätze wurden umgestaltet, der Raum für den ÖPNV und die Menschen ausgeweitet.

Es brauchte Ausdauer und ein klares politisches Statement. Aber am Ende steht: Die Mobilitätswende ist für Metz und für die handelnden Personen ein Gewinnerthema.

Anti-Stau-Gebühr

Das Münchener Ifo-Institut hat einen neuen Lösungsvorschlag gemacht, um das Verkehrsaufkommen in Innenstädten zu verringern.

Verkehrswende, Klimaschutzvereinbarungen, Mobilitätswende. All das sind hochgesteckte Ziele, Zumindest, wenn wir so weitermachen wie bisher und sich nichts ändert. Das Münchener Ifo-Institut hat jetzt einen neuen Lösungsvorschlag vorgestellt: Mit der Anti-Stau-Gebühr soll der Verkehr in den Innenstädten verringert werden, mehr Platz für Radwege und Fußgänger*innen entstehen und somit die Menschen in der Stadt und das Klima entlasten. Denn die Staus, die z.B. in der Münchener Innenstadt vor allem zu Stoßzeiten entstehen, sind nicht nur teuer, sondern stellen zusätzlich eine große Belastung für die Umwelt dar - jede Menge Feinstaub und Lärm werden produziert.
 

Wie funktioniert die Anti-Stau-Gebühr?

Ähnlich wie bei der City-Maut sollen Autofahrer*innen eine Pauschale zahlen, wenn sie die Straßen der Stadt nutzen, z.B. 6€ pro Tag. Dadurch entstehen zwei positive Effekte. Zum einen steigen mehr Menschen auf den ÖPNV um, die Fahrten werden vergleichsweise günstiger und die Vorteile, wie das Wegfallen der Parkplatzsuche, überwiegen. Zum anderen sind die Menschen weniger gestresst, weil sie weniger Zeit auf der Straße im Stau verbringen, das Fahren in die Stadt wird automatisch attraktiver, und der Einzelhandel sowie die Gastronomie profitieren davon. Nicht zuletzt kann das mit der Gebühr eingenommene Geld in den Ausbau des ÖPNV reinvestiert werden, um eine Angebotsverbesserung und Takterhöhung zu erreichen. Die Anti-Stau-Gebühr könnte ein Schritt in Richtung Zielerreichung sein. 

Die Vorteile der Anti-Stau-Gebühr im Überblick

  • Weniger Pkw-Verkehr und damit weniger Stau
  • Weniger Ausstoß von Luftschadstoffen und CO2
  • Weniger Stress bei Autofahrer*innen
  • Gesteigerte Attraktivität des ÖPNV
  • Reinvestition der Gelder in den Ausbau des ÖPNV
ÖPNV-Irrtümer: Ist ein Bus umweltschädlicher als ein Auto?

Teuer, unflexibel, umweltschädlich: Über den ÖPNV sind viele Vorurteile im Umlauf. Wir machen den Realitätscheck und räumen mit populären Fehleinschätzungen auf.

Ein Omnibus verbraucht mehr Treibstoff und stößt mehr Emissionen aus als ein Auto – und ist deshalb auch umweltschädlicher. Logisch, oder? Nein, denn ein Bus bringt wesentlich mehr Fahrgäste ans Ziel als ein Pkw. Wie viele Autos würden beispielsweise benötigt, um alle Kinder aus einem vollbesetzten Bus zur Schule zu befördern?

Vergleich: Bus vs. Pkw 

Ein Vergleich von Auto und Bus ist also nur dann sinnvoll, wenn man den Verbrauch auf dieselbe Wegstrecke und dieselbe Anzahl beförderter Personen umrechnet – so wie es etwa das Umweltbundesamt regelmäßig macht. 

Demnach stößt ein mit durchschnittlich 1,4 Menschen besetzter Pkw pro Personenkilometer – also pro beförderte Person und zurückgelegtem Kilometer – rund 154 Gramm Treibhausgase aus. Im Vergleich verbraucht ein Linienbus im Nahverkehr mit mittlerer Auslastung 83 Gramm pro Personenkilometer.

Auch beim Energieverbrauch hat der Bus deutliche Vorteile gegenüber dem Auto, wie Daten des Verkehrsbündnisses Allianz pro Schiene zeigen. Demnach benötigt ein Linienbus im Personennahverkehr durchschnittlich 3,3 Liter Treibstoff auf 100 Personenkilometern. Der Verbrauch eines Pkw liegt mit 6,1 Litern pro 100 Personenkilometern fast doppelt so hoch.

Fazit: Bus schlägt Auto.

Der Omnibus ist gegenüber dem Auto also keinesfalls der größere Umweltsünder. Im Gegenteil: Er schneidet bei den Emissionen und beim Energieverbrauch deutlich besser ab. Damit ist der Bus auch in Zukunft ein integraler Bestandteil auf dem Weg zur Verkehrswende, wenn es darum geht, den motorisierten Individualverkehr zurückzufahren und im Gegenzug den Öffentlichen Personennahverkehr zu stärken und auszubauen.

ÖPNV-Irrtümer: Wird das Auto immer unverzichtbar bleiben?

Teuer, unflexibel, umweltschädlich: Über den ÖPNV sind viele Vorurteile im Umlauf. Wir machen den Realitätscheck und räumen mit populären Fehleinschätzungen auf.

„Ohne Auto geht es nicht – und es wird auch in Zukunft nicht gehen.“ Diese verbreitete Ansicht, insbesondere mit dem Blick auf ländliche Gegenden, ist nachvollziehbar: Während ein verfügbarer und schneller ÖPNV das Auto innerhalb vieler Städte längst überflüssig macht, fahren Busse und Bahnen auf dem Land häufig zu selten. Auch im Bedienungsgebiet der Vestischen sind noch nicht alle ländlichen Räume ideal an den ÖPNV angeschlossen. 

Die Verkehrswende erfordert eine Angebotswende.

Aber wir arbeiten daran, das zu ändern. Denn wir wissen: Die Verkehrswende ist in erster Linie eine Angebotswende. Das öffentliche Mobilitätsangebot muss bei Verfügbarkeit, Bequemlichkeit und Geschwindigkeit mit dem motorisierten Individualverkehr mithalten können. Nur dann werden Menschen künftig häufiger auf ihr Auto verzichten.

Wir wollen den Menschen in der Emscher-Lippe-Region daher eine überzeugende Alternative zum eigenen Auto bieten: öffentliche Mobilität, die sie schnell, einfach und kostengünstig ans Ziel bringt. Wir werden unser Angebot massiv ausweiten, unter anderem mit neuen Expressbuslinien zur Vernetzung unseres Bedienungsgebiets mit den zentralen Städten des Ruhrgebiets und dem überregionalen Schienenverkehr sowie mit Taktverdichtungen zunächst auf nachfragestarken Linien. Darüber hinaus sind weitere Maßnahmen geplant, wie Vorrangschaltungen bei Ampeln oder exklusive Fahrspuren, die dem ÖPNV auch zur Rush Hour freie Fahrt ermöglichen.

Fazit: Dem ÖPNV gehört die Zukunft.

Es ist wichtiger denn je, mit dem Ausbau und der Förderung des ÖPNV den Weg dafür zu bereiten, dass zukünftig auch die Menschen jenseits der Stadtgebiete eine zuverlässige und flächendeckende Anbindung an den Bus- und Bahnverkehr erhalten. Bei besseren und bezahlbaren Anbindungen schließt einer Umfrage der Kreditanstalt für Wiederaufbau (Kfw) zufolge nur noch jeder Vierte einen Umstieg auf den ÖPNV aus. Bei Menschen unter 40 will sogar nur knapp jeder Sechste nicht auf den eigenen Pkw verzichten.

Der grundsätzliche Wille in der Bevölkerung ist also vorhanden. Kommunen können durch die Einrichtung von Mobilstationen dazu beitragen, die Möglichkeiten von vernetzter Mobilität zu fördern. Mit einem starken ÖPNV, ergänzt um Angebote wie Bike- und Car-Sharing, kann das eigene Auto also für viele Menschen in Zukunft tatsächlich eines werden: verzichtbar. 

Warum uns der Bus weniger kostet als das Auto

Busse und Bahnen kosten die Kommunen Geld, denn ein flächendeckender öffentlicher Personennahverkehr ist nicht ohne Subventionen möglich. Aber: Die Steuerzahlenden unterstützen auch das Autofahren – und zwar erheblich: Der motorisierte Individualverkehr (MIV) erhält höhere finanzielle Zuwendungen als Bus, Rad- und Fußverkehr zusammen.

Wie kommt das?
Der Autoverkehr verursacht zahlreiche versteckte Kosten. Ob für die Instandhaltung der Straßen oder die Erweiterung von Infrastruktur: Die Gesellschaft subventioniert den MIV an vielen Stellen mit Steuergeldern. Die Folgen für den Klimaschutz, die Luftqualität und damit die eigene Gesundheit trägt die Gemeinschaft ebenfalls. Die genauen Ausgaben ließen sich allerdings bisher kaum exakt beziffern. Das wird sich in Zukunft ändern. Mit einem Berechnungstool, das Faktoren wie finanzielle, gesundheitliche, soziale und ökologische Kosten einbezieht.

Was kostet Mobilität?
Entwickelt hat die Methode Prof. Dr. Carsten Sommer mit seinem Team der Universität Kassel, vier Städte testen sie derzeit. Die Berechnungen belegen: Der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) ist für Kommunen wesentlich günstiger als der MIV, weil er mehr Menschen bei geringerer Umweltbelastung bewegt. Gleiches gilt natürlich für den Rad- und Fußverkehr. „Das Tool bietet Kommunen aussagekräftige Kennwerte, anhand derer sie ihr Verkehrssystem ökonomisch bewerten können“, erklärt Sommer. „Das gab es davor nicht, es wurde immer nur mit Kosten einzelner Maßnahmen argumentiert. Im betriebswirtschaftlichen Vergleich wurde deutlich: Der größte absolute Zuschussbedarf besteht in der Regel im Pkw- und Lkw-Verkehr. Die Kostendeckung ist in beiden Systemen zudem deutlich geringer als im ÖPNV.“ Während der MIV im jährlichen Durchschnitt Steuergelder von 200 Euro pro Person verbraucht, entfallen nur 171 Euro auf den wesentlich umweltschonenderen ÖPNV.

Ein Schub für die Verkehrswende?
Bisher war also meistens gar nicht klar, wie viel uns Steuerzahlende Auto-, Bus- und Fußverkehr kosten. Die Argumente blieben schwammig. Jetzt bekommen die politischen Ziele für Stadtplanung, Klimaschutz oder Gesundheit durch die Berechnung eine neue Basis: „Eine Kommune kann das Tool nutzen, um herauszufinden, wie viel das einzelne Verkehrssystem kostet“, erläutert Sommer. „Wichtig ist hierbei, dass die Kommunen sich nicht mit anderen vergleichen, dafür sind die Gegebenheiten meist zu unterschiedlich. Das Tool dient vor allem zum Vergleich einer zielorientierten Weiterentwicklung der eigenen Kommune.“

Also eine Methode, die die Verkehrswende unterstützt? Sommer nickt. „Raum- und Verkehrssysteme müssen stärker als bisher soziale Teilhabe für alle gewährleisten. Dazu können der ÖPNV, der Rad- und Fußverkehr einen wesentlich größeren Beitrag leisten als der private Pkw. Vielleicht kann das Tool den Ausbau des ÖPNVs und der Radwege beschleunigen, sodass die Menschen aufgrund attraktiver Alternativen öfter aufs Auto verzichten.“

Wie kann die Stadt der Zukunft aussehen?
Mit dem Berechnungstool wird deutlich, dass die Verkehrswende neben sozialen, ökologischen und gesundheitlichen Folgen auch finanzielle Vorteile für Kommunen haben kann. Sommer zeichnet ein Bild der Zukunft: „Ich wünsche mir weniger Autoverkehr; dass die Menschen sich mehr selbst aktiv bewegen, weil es gesund ist und Spaß macht. Vor allem dann, wenn die Infrastruktur und die öffentlichen Räume dazu passen. Meine Stadt der Zukunft hat viel mehr Fläche zum Aufenthalt, zur Kommunikation, zum Spielen für Kinder, ist grüner und ein Ort zum Wohl- und Sicherfühlen. Das gilt auch für die Region und die Dörfer. Wenn Menschen sich draußen bewegen, gibt es eine höhere soziale Sicherheit. Der ÖPNV, eigentlich aber der öffentliche Verkehr insgesamt, ist ein ganz entscheidender, wenn nicht sogar der entscheidende Baustein für die Lösung der verkehrsbedingten Klimaschutzprobleme.“

Prof. Dr. Carsten Sommer ist Leiter des Fachgebiets Verkehrsplanung und Verkehrssysteme am Fachbereich Bauingenieur- und Umweltingenieurwesen der Universität Kassel. In zwei Studien entwickelte er mit seinem Team ein Tool, mit dem Kommunen die Kosten für verschiedene Verkehrssysteme verursachergerecht aufschlüsseln können.

 


Bitte beachten: Dieser Film stammt aus November 2019.